Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Stellen Sie ein Buch detailliert vor - mit Inhaltsangabe und Ihrem Urteil.
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Isiera
Beiträge: 57
Registriert: So 28. Dez 2008, 20:46

Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von Isiera »

Beschreibung:
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er ...Ein angesehener, freundlicher Herr, Doktor der Medizin, erschlägt nach vierzig Ehejahren seine Frau mit einer Axt. Er zerlegt sie förmlich, bevor er schließlich die Polizei informiert. Sein Geständnis ist ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe. Ein Mann raubt eine Bank aus, und so unglaublich das klingt: er hat seine Gründe. Gegen jede Wahrscheinlichkeit wird er von der deutschen Justiz an Leib und Seele gerettet. Eine junge Frau tötet ihren Bruder. Aus Liebe. Lauter unglaubliche Geschichten, doch sie sind wahr.

Meine Meinung:
Das Buch enthält 11 Geschichten, die verschiedene Aspekte aus dem Berufsleben von Schirach beleuchten. Auffallend ist dabei der nüchtern-sachlich, distanzierte Schreibstil des Autors. Die geschilderten Fälle sind alle unterschiedlich und behandeln die verschiedensten Vergehen, von einem Einbruch bis hin zu Mord. Durch die meist emotionslose berichtähnliche Art kann man sich als Leser gut eine eigene Meinung bilden. Die Geschichten hinter den eigentlichen Taten lassen einen diese oft mit anderen Augen sehen, so dass man Verständnis und manchmal auch Mitgefühl mit den Tätern bekommt.
Bei einigen Fällen hätte ich mir gewünscht, dass Schirach noch mehr Details erzählt, besonders bei dem Mann am Bahnhof. Auch wenn er schreibt er wüsste selbst nicht mehr, fand ich es schade, dass die Geschichte einen sehr rätselnd zurücklässt. Da wäre meiner Meinung nach eine andere Geschichte in dem Fall die bessere Wahl gewesen.
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Kesseziege
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Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von Kesseziege »

Titel: Verbrechen
Autor: Ferdinand von Schirach
ISBN: 3492053629

Inhalt:
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er – lakonisch wie ein Raymond Carver und gerade deswegen mit unfassbarer Wucht.

Meine Meinung:
Ferdinand von Schirach schildert mehrere Verbrechen deren Täter er verteidigen musste. Diese Verbrechen werden recht detailiert beschrieben, vor allem aber aus zwischenmenschlicher Sicht und nicht trocken und voller Fakten heruntergerasselt. Schon beim lesen überlegt man wie man selbst gehandelt oder entschieden hätte. War es Recht oder Unrecht. Hätte hier die Strafe milder sein müssen und dort vielleicht härter???
Ich habe dieses Buch innerhalb von 2 Tage gelesen, nein ich habe es regelrecht verschlungen. Ich habe mit gelitten und mich mit gefreut, mit den Tätern und den Opfern. Dieses Buch hängt mir noch immer ein wenig nach. Es beschäftigt den Leser.
Der Schreibstil ist schlicht gehalten, man kann dieses Buch leicht lesen ohne Paragraphen und Fremdwörter.
Ich empfehle dieses Buch jedem der sich ein wenig für zwischenmenschliche Kurzgeschichten und Gerichtsfälle interessiert.
Dieses Buch ist nicht aus der Sicht der Opfer, sondern aus der Sicht der Täter geschildert. Waren am Ende womöglich einige Täter die Opfer?
Cabriofahrerin
Beiträge: 24
Registriert: Do 25. Jun 2009, 14:01

Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von Cabriofahrerin »

"Stories" - Geschichten, die das Leben schreibt

Ferdinand von Schirach hat ein Buch mit elf Geschichten veröffentlicht, die er selbst erlebt hat - als Verteidiger in Strafprozessen. Gebunden an seine Schweigepflicht, wird er die Ereignisse verändert haben, um den Schutz der realen Personen zu wahren. Als Verteidiger ist er parteiisch und steht auf der Seite seines Mandanten. Als Erzähler ist er frei.
Von Schirach hat mit seiner Auswahl für den Leser ein Kaleidoskop unterschiedlichster Straffälle ausgewählt. Wir lesen von einer Ehe mit tödlichem Ende, von dem Diebstahl einer wertvollen Teeschale, einem Kannibalen, Kriminalität im Drogen- und Prostituiertenmilieu und anderen Taten.
Gemeinsamkeiten aller dargestellten Fälle sind ihre absolut unerwarteten Verläufe, die psychischen Veränderungen der handelnden Personen und eine unbeschreibliche Brutalität.
Manche Fälle verlaufen "im Sande". So entlastet ein Mann seinen angeklagten kriminellen Mitbruder durch eine geschickte Zeugenaussage. Ein anderer Mann mit eindeutigem Hang zum Kannibalismus entzieht von Schirach sein Mandat.
Während man die meisten Geschichten mit Distanz lesen kann, sind andere dabei, denen man sich gefühlsmäßig nicht entziehen kann. Das Leid ist manchmal so stark, dass man es selbst spüren kann.
Wir erleben die nach außen hin intakte Ehe eines anerkannten Mediziners, der nach 48 Jahren physischer und psychischer Demütigung seinen Lebenszustand nicht mehr aushält und seine "geliebte" Ingrid umbringt. Da von Schirach gemächlich und präsise beschreibt, wie es zu der Tat kommen konnte, wird sie zu einer zwingenden, nicht mehr abwendbaren Konsequenz. Auch diese überzeugende Erzählweise ist allen beschriebenen Fällen zu eigen.
Furchtbar zu lesen ist, wie zwei Kinder in einer mutterlosen Familie aufwachsen: Ein liebloser, strenger Vater verlangt von ihnen bedingungslose Disziplin und Verzicht. Obwohl Vermögen vorhanden ist, müssen die Kinder sich ihr Taschengeld erarbeiten, z. B. indem sie Löwenzahn ausstechen.
An manchen Stellen klärt von Schirach den Leser sehr kurz, aber ausreichend informativ über das deutsche Rechtssystem, insbesondere den Prozessverlauf auf.
Auch die immer wieder diskutierte Frage nach dem Sinn von "Strafe" spricht er an und erörtert das rechtsphilosophische Problem (vgl. S. 17).
Das Buch liest sich sehr schnell. Von Schirachs Sprachstil ist klar; seine Sätze sind meist kurz und einfach.
Sicher lesen wir tagtäglich von neuen kriminellen Geschehnissen, aber so stark, wie von Schirach seine Erzählungen aufbereitet hat, indem er uns ins Innerste der Handelnden schauen lässt, bleibt Nachdenkenswertes hängen. Sind wir parteiisch geworden? Stehen wir mehr auf der Seite des Kriminellen als auf der der Opfer?
Bilden Sie sich selbst ein Urteil, indem Sie dieses Buch lesen.
subechto
Beiträge: 557
Registriert: Mi 18. Feb 2009, 22:10

Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von subechto »

Die Wahrheit. Nichts als die Wahrheit!?

Verbrechen ist eine Sammlung von 11 "Stories", die Ferdinand von Schirach, ein
bekannter Rechtsanwalt und Strafverteidiger, in sehr sachlichem Ton, mit kurzen
Sätzen und treffenden Worten erzählt.

Unter anderem, die des angesehenen Doktors der Medizin, Friedhelm Fähner, der
nach vierzig Ehejahren seine Frau Ingrid mit einer Axt erschlägt. Er hat sie im
wahrsten Sinne des Wortes "klein" gemacht, bevor er die Polizei ruft. Sein
Geständnis ist ebenso außergewöhnlich wie seine Strafe.

11 unglaubliche, aber wahre Geschichten, vom Autor lakonisch aus Sicht der Täter
erzählt, die - wie so oft - jahrelang selber Opfer waren. Für meinen Geschmack,
vielleicht etwas zu einseitig. Manchmal konnte ich es gar nicht glauben... bei
Bettelbriefen steht am Anfang auch immer, dass es "wahr" ist.

Eigentlich mag ich keine Kurzgeschichten. Aber diese "Stories" haben mich
einfach umgehauen und selbst danach nicht mehr losgelassen...

Sehr empfehlenswert!
sabatayn76
Beiträge: 65
Registriert: So 16. Aug 2009, 16:43

Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von sabatayn76 »

Inhalt:
Ferdinand von Schirach ist Anwalt und Strafverteidiger und hat mit "Verbrechen" elf Stories über Verbrechen, Strafe und Schuld vorgelegt.
Mein Eindruck:
„Verbrechen“ beginnt mit einer interessanten Geschichte, dem Fall von Friedhelm Fähner, der ein unauffälliges Leben führt und plötzlich seine Ehefrau zerhackt. Diese Story klang vielversprechend, und ich glaubte (und hoffte), dass dem Leser in den folgenden Geschichten weitere Einblicke ins deutsche Strafsystem geboten werden. Leider war dem nicht so, und die nachfolgenden Fallberichte waren teils langweilig, teils grenzüberschreitend detailverliebt und zeigten weder psychologischen noch juristischen Tiefgang.
Die Sprache von Ferdinand von Schirach war bisweilen zu dramatisch und reißerisch („Er war glücklich. Es war das letzte Mal in seinem Leben.“). Im Verlaufe des Buches hatte ich mehr und mehr den Eindruck, dass es dem Autor größtenteils um Selbstbeweihräucherung ging, dass er seine Stories dafür nutzt, sich selbst auf die Schultern zu klopfen, weil er alles so gut im Griff hat.
Die Gewaltschilderungen haben mich sehr abgestoßen. Ich vertrage sicherlich einiges und bin nicht zimperlich, aber ich finde, dieses Ausmaß ist im Rahmen eines solchen Buches unnütz. Anderen Autoren gelingt es zumindest, ohne Gemetzel und detaillierte Beschreibungen von Gewebebestandteilen Entsetzen beim Leser hervorzurufen.
Der Autor bringt meiner Meinung nach nichts Neues. Geschichtchen dieser Art kann man in jedem billigen Thriller finden. Unter dem Deckmantel der „Wahrheit eines Strafverteidigers“ wirkt das Ganze auf die Mehrheit wahrscheinlich spannend und neu, ist es aber nicht.
Mein Resümee:
Wer sich für Fallgeschichten und Phänomene wie Rechtsextremismus, Kindesmissbrauch und sexuelle Paraphilien interessiert, der sollte die populärwissenschaftlichen Bücher von Andreas Marneros lesen. In allgemeinverständlicher Sprache erzählt der Psychiater Marneros die Geschichten von Straftätern und erklärt nebenbei Begriffe wie Schuld(un)fähigkeit, Maßregelvollzug, Persönlichkeitsstörungen und psychische Erkrankungen.
„Verbrechen“ ist meiner Meinung nach ein Buch, das nur an der Oberfläche kratzt, delinquentes Verhalten und Strafbemessung nicht ausreichend erklärt und somit kein Wissen und keine Erkenntnis vermitteln kann.
majabe
Beiträge: 17
Registriert: Sa 12. Dez 2009, 20:23

Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von majabe »

Schon nach der Leseprobe, war ich Neugierig auf mehr und ich wurde nicht Enttäuscht!

Der Autor erzählt elf spannende, aber komplett unterschiedliche Schicksale;und gibt uns so einen kurzen Blick hinter die Kulissen. Gerade die Tatsache, das diese Geschichten der Wahrheit entsprechen,macht das ganze um so interessanter! Man gerät unweigerlich ins Grübeln; macht sich Gedanken... Der kühle,Emotionslose schreibstil tut sein übriges...

Jeder einzelne Fall berührt einen;aber immer auf völlig unterschiedliche Weise! Wir werden uns bewußt darüber,das jedes Verbrechen immer mehrere Blickwinkel hat - und haben muß! Wir können nicht nur nach "Gut und Böse" aussortieren,sondern müssen hinter die Fassade schauen! Wir erfahren hier auch etwas über die Täter,was das ganze ganz besonders Interessant macht. Denn im normalfall Erfahren wir ja nur aus der Presse einige,wenige Details über die jeweilige Tat und die dazugehörigen Opfer. Doch manchmal,ist eben auch der Täter ein Opfer... Ein Opfer der Gesellschaft,wenn man so will...

Bleibt die Frage, was und der Herr von Schirach mit diesem Buch sagen möchte?

Möglicherweise dieses: "Wer völlig frei von Schuld ist, der werfe den ersten Strein!"



Fazit: Ein sehr gelungendes Buch, welches einem auch nach dem lesen nur schwer loslässt!
Patty
Beiträge: 25
Registriert: Di 12. Apr 2011, 18:02

Re: Ferdinand von Schirach: Verbrechen

Beitrag von Patty »

Völlig egal ob wahr oder nicht, mich konnte das Buch nicht packen. Die Storys waren irgendwie langweilig, oder einfach nur schlecht erzählt. Eine Anhäufung von Tatsachen macht noch keinen guten Erzählstil oder eine packende Story aus. Die meisten Geschichten habe ich fast durchgeblättert und hatte nicht wirklich den Eindruck, viel verpasst zu haben. Das Ganze klang mir dann doch zu sehr nach Selbstbeweihräucherung, von Schirach fehlte einfach der objektive Blickwinkel.

Der Täter aus der ersten Geschichte war für mich eigentlich mehr ein Held - und auch ein Feigling. Wie kann man nur solange mit so einer Frau zusammenleben und dann nichts dagegen unternehmen. Nur wegen eines Versprechens? Manchmal werden Versprechen doch zu hoch bewertet, sie implizieren nicht lebenslanges Leid. Besonders interessant oder herausragend fand ich die Geschichten jetzt auch nicht, da habe ich in Thrillern schon wesentlich besseres gelesen.

Für mich ein Buch, auf das man auch gut verzichten kann. Es hatte Potential, nur leider war der Autor unfähig, es zu nutzen. Dann doch lieber etwas fiktives, dafür aber mit Spannung.
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