Inge Löhnig: In weißer Stille

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subechto
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Registriert: Mi 18. Feb 2009, 22:10

Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von subechto »

Tod im Wochenendhaus

Um es gleich vorweg zu nehmen: In weißer Stille ist Inge Löhnigs zweiter Kriminalroman in der Serie mit Kriminalhauptkommissar Konstantin Dühnfort und hat mir noch besser gefallen als "Der Sünde Sold". Doch worum geht es?

Das Buch beginnt mit einer Rückblende: Ein kleiner Junge, der sich im Keller eines Hauses versteckt hat und eine schwere Entscheidung treffen muss. Anschließend lernen wir Barbara - genannt Babs - und ihren Mann Alfred, einen Kinderarzt, kennen. Sie haben zusammen zwei Söhne und zwar Zwillinge. Kurz darauf geschieht ein Mord: In einem Wochenendhaus am Starnberger See findet Alfred seinen Vater, der früher ebenfalls Kinderarzt war, tot und an eine Heizung gefesselt auf.

Mal abgesehen davon, dass es anscheinend Eltern gibt, die ihre Kinder nach dem Alphabet benennen: Alfred, Bertram, Caroline... oder Palindrome schön finden: Alfreds Kinder heißen Leon und Noel, ist die Geschichte interessant geschrieben, sind die Figuren stark gezeichnet. Bereits von Anfang an, bröckelt die Fassade der vordergründig heilen Familie, von der Autorin deutlich gemacht durch Einschübe - teils nur einzelne Wörter, teils ganze Sätze - in Kursivschrift. Aber auch mit der Beziehung von Kommissar Dühnfort und seiner Freundin Agnes steht es nicht zum besten...

Gut gefallen haben mir die vielen falschen Fährten, die Frau Löhnig für den Leser auslegt und somit die Geschichte voran und die Spannung in die Höhe treibt. Auch sprachlich hat sich die Autorin meiner Meinung nach weiterentwickelt. Das Buch 'lebt' im wahrsten Sinne des Wortes durch Zitate. So stammt z. B. der Titel "In weißer Stille" aus Islandfischer von Pierre Loti und hat somit nichts mit unserer gegenwärtigen Wettersituation zu tun.

Dafür passt er jedoch umso besser zum Ende des Buches, welches ich hier nicht vorwegnehmen möchte. Nur so viel sei verraten, als dass es sich um einen Cliffhänger handelt, der hoffen lässt, dass die Reihe mit Kommissar Dühnfort fortgesetzt wird. Vielleicht sogar mit einer neuen Liebe? Alles hat seine Zeit.

Bereits mit ihrem Krimi-Debüt "Der Sünde Sold" gelang Inge Löhnig ein kleines Meisterwerk auf dem deutschen Autorenmarkt. Mit "In weißer Stille" kann sie das sogar noch toppen. Lediglich, dass mir ziemlich schnell klar war, wer der Täter ist, nämlich der kleine Junge aus dem Prolog, hat mein Lesevergnügen etwas getrübt.

Dennoch, ich bin begeistert! Aber Sie sollten sich unbedingt selber ein Urteil bilden...
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goat
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Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von goat »

Meine Meinung: Nachdem ich diesen Krimi beendet hatte, musste ich erstmal schlucken. Ganz unabhängig von der Lösung des Falles, habe ich mit diesem Ende am allerwenigsten gerechnet. Ich bin etwas schockiert und auch leicht verwirrrt, was das Ende für Auswirkungen auf die Folgebände haben wird. Aber mehr sollte ich nun wirklich nicht verraten.

Inge Löhnig hat einen erstklassigen Krimi geschrieben mit viel Liebe zum Detail. Dabei hat sie sehr viel Wert auf die ausführliche Beschreibung der Figuren gelegt. Genau das lässt den Leser viel intensiver am Geschehen teilhaben und auch emotional mitreißen. Die psychologischen Feinheiten sind das i-Tüpfelchen.

Schon der Prolog ließ einem die Haare zu Berge stehen. Ein kleiner Junge, der in einem Keller fast verdurstet. Es macht den Anschein, als wäre er dort eingesperrt, aber so unbegreiflich es sich auch anhört: der Keller ist nicht verschlossen und der Junge könnte zu jeder Zeit sein "Gefängnis" verlassen. Und das ist die erste Frage, die man sich stellt: Wer oder was lässt diesen Jungen freiwillig diese Tortur durchleben?

Und welche Verbindung gibt es zu dem Tod von Dr. Heckeroth sen.? Dieser wird von seinem Sohn in seinem Wochenendhaus, an eine Heizung gefesselt, tot aufgefunden - Todesursache: verdursten... Wer könnte einen Grund gehabt haben, ihn zu töten? Nachdem die scheinbar heile Fassade der Familie Heckeroth beginnt zu bröckeln, hätten gleich mehrere Personen in seinem Umkreis ein Motiv gehabt.

Für Kriminalhauptkommissar Dühnfort beginnt eine wahre Puzzlearbeit und was er so nach und nach ans Tageslicht bringt, macht die Ermittlungen nicht unbedingt leichter. Und auch sein eigenes Leben läuft nicht gerade in geordneten Bahnen. Die Beziehung zu seiner Freundin Agnes bekommt die ersten Risse und er fühlt sich nicht in der Lage, dieses Problem zu lösen.

Obwohl die Autorin wahnsinnig viele Fährten legt, hatte ich schon ziemlich schnell einen Verdacht. Aber das tat dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Gestört hat mich nur der Titel des Buches, weil er nicht gerade passend für die Story ist.

Da mich das Dühnfort-Fieber gepackt hat, werde ich den ersten Band natürlich auch noch lesen. Selten ist ein Ermittler so sympathisch rübergekommen wie er. Ein Mann, von dem ich mich gerne mal bekochen lassen würde. Mein Dankeschön an Inge Löhnig mit vollen fünf Sternen!
Wirklich reich ist, wer mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann!

www.leserattenbuecherforum.de
Patty
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Registriert: Di 12. Apr 2011, 18:02

Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von Patty »

Nach ihrem gelungenen Debütroman nun der zweite Fall, in dem Kommissar Dühnfort ermitteln darf. Ein ehemaliger Kinderarzt wird in seinem Wochenendhaus tot aufgefunden, gefesselt an einer Heizung, so dass er langsam und qualvoll verdurstet ist – wie gefühllos muss jemand sein, um einen alten Mann so lange leiden zu lassen. Albert, sein ältester Sohn hat ihn gefunden – scheidet er damit automatisch als Verdächtiger aus? Als noch ein brisantes Fotoalbum in der Wohnung von Wolfram Heckeroth, dem Mordopfer, gefunden wird, erweitert sich der Kreis der Tatverdächtigen und der Mordmotive um einiges. Ist es doch kein Raubmord gewesen? War der Täter auf Rache aus oder brauchte er Geld? In gewohnter spannender Erzählqualität lässt uns Inge Löhnig an den Ermittlungen teilnehmen – und natürlich auch an den Familienschicksalen und den Privatproblemen der Ermittler. Wie schon im ersten Band beinhaltet auch dieses Buch nicht nur den eigentlichen Fall, sondern auch noch vieles darum herum.

Dr. Wolfram Heckeroth hinterlässt drei Kinder. Albert, der älteste, ist in seine Fußstapfen getreten und Kinderarzt geworden. Außerdem galt ihm die ganze Liebe und Anerkennung des Vaters, er war der Thronfolger und hat dieses wirklich ausgekostet. Caroline, die einzige Tochter, kämpft seit ihrer Kindheit um die Aufmerksamkeit des Vaters – leider vergebens. Sie ist knallhart in ihrem Job, Karriere hat die oberste Priorität – wenn es da nicht die ständigen Zweifel gäbe, ob ihr Freund Marc wirklich sie als Person liebt oder mehr die Vorzüge ihres Jobs. Der jüngste Sohn, Bertram, ist ein erfolgloser Architekt, den gehörige Geldsorgen plagen. Der prädestinierte Verdächtige, die Ermittlungen fokussieren sich schnell auf ihn, besonders, da er sich nicht gerade kooperativ gibt. Zusätzlich gibt es dann noch seine ehemaligen Geliebten in dem Fotoalbum, die Wolfram in demütigenden Positionen photographiert hat. Rache als Motiv lässt sich nicht ausschließen, einige Frauen leiden noch heute unter der Erfahrung.

Viele lose Fäden werden zum Ende hin verknüpft, Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, erweisen sich als äußerst aufschlussreich. Nach einem etwas langatmigen Anfang schafft Inge Löhnig es durchaus, die Spannung zu halten, alle Fäden zu verknüpfen und viele Geschichten zu erzählen. Immer wieder bringt sie pikante Details in die Geschichte, sobald man meint, dem Täter auf der Spur zu sein, tauchen neue überraschende Beweise auf, die in eine ganz andere Richtung weisen. Dühnfort ist mittlerweile mit seiner Traumfrau Agnes zusammen, er möchte eine Familie und Kinder, bevor er zu alt dafür ist. Agnes ist sich nicht sicher und so muss Dühnfort eine Entscheidung treffen. Seine Kollegin Gina hat gesundheitliche Probleme, die ziemlich viel Raum beanspruchen. Caroline Heckeroth findet ein Tagebuch ihrer verstorbenen Mutter und muss sich mit der Wahrheit über die Ehe ihrer Eltern auseinandersetzen. Alberts Frau Babs möchte wieder arbeiten und hat gleichzeitig den Verdacht, dass ihr Mann sie betrügt, Außerdem ist ihr die Erziehung ihrer Kinder, Zwillingssöhne, sehr wichtig, sie möchte, dass sie ordentliche Menschen werden, die moralisch einwandfrei handeln. Dazu gehört auch, sich mit neumodischen Spielkonsolen zu beschäftigen. Alle diese Geschichten sind interessant und meisterhaft erzählt, durch wechselnde Perspektiven erfährt der Leser viel über das Innenleben der einzelnen Personen, er lernt sie zu verstehen und in ihre Ängste zu schauen.

Diese Vielfältigkeit und Abwechslung bietet Spannung und für jeden ein Thema. Unvorhersehbare Konsequenzen eines zufälligen Unfalls, Krankheit, Wiedereinstieg ins Arbeitsleben, Be- und Erziehungsprobleme, Gewalt gegen Frauen und der immerwährende Wunsch nach Freiheit, Glück, Liebe und Anerkennung sind hier vertreten. Sie gehen eine wunderbare Symbiose ein, kein Thema ist langweilig, keine Geschichte zu kurz oder zu lang. Alle haben ihren Raum und ihre Zeit, es passt einfach perfekt. Zusätzlich noch das Rätselraten um den Täter, fast am Schluß fügt Löhnig noch einen weiteren Verdächtigen ein, der auch genau dorthin gehört mit einem schlüssigen Motiv. Ein geschickter Kunstgriff, der auch die Auflösung, die schlüssig ist, nicht beeinträchtigt. Nur der Cliffhanger am Schluß, der ist gemein und erhöht natürlich gleichzeitig die Spannung auf das nächste Buch – sofern es denn noch eines geben wird.

Fazit

Ermittlungen auf aktuellem Niveau, Handys und Computer sind erfolgreiche Hilfsmittel bei der Auflösung, ein spannender Fall, der in Abgründe hinter der wohlgeordneten Fassade einer etablierten Familie gipfelt, bewegende zwischenmenschliche Ereignisse, und ein angenehmer Erzählstil lassen das Buch zu einem wahren Pageturner werden. Deutscher Krimi auf hohem Niveau, einfühlsam geschildert und passend in der heutigen Zeit, Ermittler, die ans Herz wachsen – Lesevergnügen pur.
sabatayn76
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Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von sabatayn76 »

'Ein weißer Fleck auf der Landkarte'

Inhalt:
Die Leiche eines alten Mannes wird gefunden - gefesselt an einen Heizkörper. Wer steckt hinter diesem Verbrechen? Welche Rolle spielt die Familie des Toten? Wieso musste der alte Mann so grausam und qualvoll sterben? In welchem Zusammenhang steht die Geschichte des Jungen im Keller, die im Prolog erzählt wird?

Mein Eindruck:
Das Buch beginnt befremdend - der Prolog ist düster und unheimlich, man kann sich den Ort des Geschehens und die Gefühlslage des Jungen sehr gut vorstellen und mitbangen. Auch der weitere Verlauf des Buches liest sich flüssig und ist spannend. Wie bereits in 'Der Sünde Sold' sind die Protagonisten überzeugend charakterisiert und die handelnden Personen, die Ereignisse und die geschilderten zwischenmenschlichen Probleme glaubwürdig und lebensnah beschrieben. Vor allem die letzten 80 Seiten sind unglaublich spannend und sorgen dafür, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen will.

Mein Resümee:
Rundum gelungen - eine komplexe und fesselnde Geschichte. Meiner Meinung nach noch besser als der erste Roman der Autorin, der mir schon sehr gut gefallen hat.
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Vidya Venn
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Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von Vidya Venn »

Was ist ein Cliffhanger?
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bookworms
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Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von bookworms »

Sozusagen ein offenes Ende, also etwa: Einer hängt am Kliff und man erfährt (noch) nicht, ob er runter fällt oder nicht.
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Vidya Venn
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Re: Inge Löhnig: In weißer Stille

Beitrag von Vidya Venn »

Vielen Dank, das muss doch die Dumme mal gesacht wern. Mit dem am Kliff hängen hat ich mir auch gedacht, aber keine Idee gehabt was das mit einem Krimiende zu tun haben soll
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