Heute ist es hier total schön, bin schon auf der Post gewesen und habe ein verkauftes Buch abgegeben
, aber am Wochenende hat es ja bekanntlich Bindfäden geregnet und die Moore sind entsprechend glitschig und weich.
Dienstag war es ja auch ganz schön und so haben wir uns spät noch auf eine Schatzsuche begeben, ins Moor, in den Wald, an den Ar sch der Welt, der ja bekanntlich ziemlich groß ist. Wir pilgerten also in der Dämmerung mehrere Stationen ab, durchforsteten alte Baumstämme, durchwateten Gräben und stiegen über Stacheldrähte. Schließlich hatten wir die schwer zu findende Sache erledigt und freuten uns auf unser Abendbrot. Bester Stimmung ging es zurück zum Auto. Der Wagen musste nur gewendet werden, um so lange wie möglich im Hellen suchen zu können, waren wir ziemlich weit auf einem Forstweg in den Wald hinein gefahren. Rückwärtsgang und dssss, dssss, Vorwärtsgang und dssss, dssss. Die Räder drehten durch. Bis dahin dachte ich eigentlich, das gäbe es nur in der Fahrschule und im Fernsehen. Sei’s drum, Tschemmo musste Aussteigen und von hinten schieben. Dsss, Tschemmo stemmt sich in den Boden und schiebt aus Leibeskräften und das ist einiges kann ich euch sagen. Dsss, meine Füße rutschen weg und ich sack auf die Knie in den Morast, das Gesicht kann ich knapp davor bewahren - der Wagen hatte sich nicht wirklich bewegt. Kurz überlegt und an der Nase gerieben. Mit Handschuhen habe ich dann Schlamm abgegraben und Zweige sowie Schotter vor und hinter die Reifen drappiert. Der Rochen wurde langsam panisch. Es war inzwischen stockfinster und wir mussten uns mit unserer unversiegbaren, ökologisch korrekten Dynamo-Kurbel-Taschenlampe Sicht verschaffen. Neuer Versuch: dssss, krrrrr krkrkrk, dssss, dssss, die Schietkarre steckte total fest und hatte sich inzwischen einige cm in den vom Regen gut vorbereiteten Boden eingegraben. Auf den Trick mit den Fußmatten verzichtete ich dann, der Rochen hatte den Innenraum erst vor wenigen Tagen schön sauber gemacht und ausgesaugt, war sowieso schon den Tränen nahe angesichts des Drecks überall. Über uns die Sterne, tief im Wald, im Nirgendwo. Vor 25 Jahren wären wir elend verreckt, aber heute hat man Handys, Navis, GPS-Geräte jedweder Art und so bestand noch Hoffnung für uns. Der Rochen ist Platin-Member beim ADAC, da riefen wir dann an. Wir schilderten die Misere und bekamen Hilfe zugesagt, sei aber kostenpflichtig, da es sich nicht um einen technischen Defekt handele – egal, wir hatten keine Wahl. Wir verriegelten also den Wagen und gingen eine Stunde lang zur nächsten Straße, das ist jetzt etwas übertrieben, aber Übertreibung macht anschaulich. Hand in Hand von den Sternen befunkelt war es ganz romantisch, eigentlich, wenn nur das festsitzende Auto weit hinter uns nicht gewesen wäre. Nach einer Viertelstunde kam die Hilfe in Form eines riesigen , gelben Abschleppwagens. „Oh Gott!“ dachte ich nur, „der passt nie und nimmer auf den engen Weg!“ Aber der nette Typ war natürlich auch ein Profi. Er hat den Wagen gewendet und ist dann den knappen Kilometer rückwärts den Weg gefahren, die Zweige peitschten und schlugen gegen die Fahrgastzelle. Wir hatten auf unsere Kosten Spaß zu dritt in dieser obskuren Situation, mit verrenkten Hälsen erreichten wir tatsächlich die Karre im Dreck. „Da wären sie alleine nie rausgekommen!“ lautete seine Einschätzung der Lage, darüber war ich ja gewissermaßen sogar froh. Der Haken wurde am unserem Wagen befestigt, auf einen Knopf gedrückt, worauf sich unser Auto ganz mühelos aus seiner Grube erhob. Bald stand der Wagen wieder fest auf dem geschotterten Weg, wir sahen alle aus wie die Schweine. „So, dat wars, nur noch der Papierkram!“ Nach weiteren 90 Min. (das ist jetzt auch wieder übertrieben, aber…) bekamen wir dann schließlich von Ronald McDonald ein prima Abendessen aus dem Jahr 1955 serviert, woanders haben wir uns nicht mehr hingetraut in unserem Aufzug.
Die Leuchtreklamen hatten die Sterne abgelöst und der dunkle Ar sch der Welt uns wieder in das Haifischbecken der norddeutschen Großstadt geblasen